Das Kreuz mit dem Halbmond

Über die ungarische Stadt Pécs (dt. Fünfkirchen) könnte man Bände schreiben und alleine dieser Stoff würde ausreichen unser Ferienmagazin zu füllen, zumindest für eine Weile. ;). Nicht nur, dass diese Stadt in Südtransdanubien letztes Jahr Kulturhauptstadt Europas 2010 war, sie ist auch eine der schönsten und vor allem eine der ältesten Städte Ungarns. Ein Traum für jeden Historiker, Kulturliebhaber oder einfach für jeden Touristen sind die zahlreichen guterhaltenen Baudenkmäler, allein schon die 19 Kirchen. Eine davon ist aber interreligiös gesehen am erstaunlichsten: die Moschee Gazi Khassim. In diesem Überbleibsel der türkischen Herrschaft (1543 bis 1686) existiert heutzutage eine christliche Kirche!

Das Dschami (arab. Moschee) des Paschas Gasi Kassim befindet sich auf dem Széchenyi Platz. Ursprünglich stand an gleicher Stelle einst eine gotische Kirche, die Mitte des 13. Jahrhunderts zu Ehren des Apostels Barthomomäus gebaut wurde. Während die Türken dann Einzug hielten, hat man das Gotteshaus abgerissen und im Auftrag von Pascha Gasi Kassim 1543 aus den Überresten der Bartholomäuskirche ein sog. Dschami errichtet.

Das Dschami – Labsal der Seele

Die türkische Besatzung veränderte auch das Stadtbild. Pécs erhielt einen östlichen Charakterzug. Die neue „osmanische Bevölkerung“ baute Dschamis zum Labsal der Seele und Bäder zur Labsal des Körpers, während die Hauptstraße zum Basar wurde. Evlia Tschelebi, ein berühmter Handelreisender und Zeitzeuge beschreibt es so, dass die Schönheit und Größe des Dschamis mit dem Konstantinopeler Dschami des Sultans Selim wetteiferte.

Nach 143 Jahren andauernder türkischer Besatzung, wurde Pécs dann am 14. Oktober 1686 von den Osmanen erlöst. Der Dankgottesdienst zu diesem Anlass wurde von den Befreiungstruppen ebenfalls hier abgehalten. Seit 1868 finden in der Moschee ausschließlich christliche Gottesdienste statt und sie fungiert damit als katholische Kirche. Aus diesem Grunde wurde das Gebäude auch öfters umkonstruiert, in seiner äußeren Gestaltung hat es jedoch die Form eines türkischen Dschamis beibehalten.

Zwei Religionen unter einem Dach

So lassen sich auch die charakteristischen osmanischen Bauelemente leicht erkennen: das Kielbogenfenster, das Tropfsteingewölbe im Innenraum, sowie der in Richtung Mekka gepeilte Mihrab der Mauer, d.h. die als Gebetsnische dienende Mauervertiefung. Es gab auch ein Minarett, welches allerdings im 18. Jahrhundert von einem Blitz getroffen und später dann von den Jesuiten abgerissen wurde. Der Raum des Kircheninneren wurde durch die Rundbogenerweiterung während der Umbauarbeiten im Jahre 1933 fast aufs Doppelte vergrößert. Die Raumflächen von unterschiedlicher Atmosphäre werden durch künstlerisch gestaltete Fresken, die den Siegesbogen und die Vergangenheit der Kirche darstellen, zusammengehalten. Sie stammen von Ernő Gebauer, einem berühmten Pécser Maler. Die Orgel der Kirche wurde 1943 in der Pécser Angster-Fabrik gebaut, die europaweit bekannt ist.

Das Nebeneinander des türkischen Halbmondes und des katholischen Kreuzes an der Kuppel des Dschamis sorgt für einen einzigartigen Anblick. Die gleichzeitige Erscheinung beider Symbole sollte versinnbildlichen, dass die beiden Religionen gut miteinander auskommen könn(t)en. Das Dschami des Paschas Gasi Kassim ist flächenmässig das bedeutendste türkische Baudenkmal von Ungarn.

(Quelle: www.pecs.hu)

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Wenn mein Sohn irgendwann gefragt wird, ob und wieso er einer Konfession angehört, möchte ich einfach nur, dass er aus Überzeugung und selbstbewusst darauf antworten kann, ganz gleich wie auch immer er seine Entscheidung getroffen hat!