Carmen, natürlich blond

Bereits das dritte Mal steht »Carmen« auf dem Spielplan in St. Margarethen. Eigentlich kein Wunder, denn das musikalische Werk von Georges Bizet zählt ja auch zu einem der größten Welterfolge der Operngeschichte. Bei der Premiere, die am Mittwoch stattfand, wurde die Spannung und große Erwartung, die das Publikum hegte, gleich zu Beginn ein wenig eingebremst.

Sport und Kultur beisst sich

Denn der Umstand, daß Opernfestspiel-Intendant Wolfgang Werner vergangene Woche plötzlich ernsthaft erkrankte und daher nicht wie gewohnt, die Ansprache an sein geschätztes Publikum halten konnte, brachte mit sich, daß anscheinend kurzerhand zwei ehemalige Sportreporter die verantwortungsvolle Aufgabe des Intendanten übernehmen mussten. Peter Elstner und Sigi Bergmann versuchten sich dann mehr schlecht als recht durch die Laudatio zu „boxen!“ Die sportlichen „Schmähs“ kamen daher beim kulturverwöhnten Publikum auch nicht sonderlich gut an. Als dann noch wie gewohnt LHStv. Mag Franz Steindl und LH Hans Niessl im Anmarsch auf die Bühne waren, wurde dies eindeutig zu viel für die mittlerweile schon ungeduldigen Zuseher, die von dem ganzen Blabla nichts mehr wissen wollten, sondern einfach nur, daß das Stück endlich beginnt. Diese Botschaft hat Franz Steindl wohl verstanden und seine kürzeste Ansprache aller Zeiten gehalten, was auch der Landeshauptmann „nicht mehr unterbieten“ (O-Ton) konnte. Auf jeden Fall machten es die beiden Politiker kurz, und es sollte auch noch weitere Überraschungen an diesem Abend geben.

Denn obgleich auch jeder, dem die Oper „Carmen“ so halbwegs ein Begriff ist, das Bild einer feurigen rassigen Zigeunerin (mit Verlaub), also von ausgeprägtem dunklem Typ, im Kopf hat, so wurde er an diesem Abend eines besseren belehrt, als eine vorwiegend blonde Tiziana Carraro die Bühne als Carmen betrat. Die aus Italien stammende Mezzosopranistin fand jedoch nach etwas holprigem Auftakt ganz gut in ihren Part der verführerischen Schönen und konnte das Publikum eher durch ihre kühle, spöttische und auch eine gewisse laszive Art für sich gewinnen, mit der sie die Carmen interpretierte. Das gewisse Feuer und die glühende Leidenschaft, welche man mit einer Carmen verbindet, hatte sie jedoch nicht. Vielleicht hegte Regisseur Robert Herzl aber auch die Absicht ganz der Intention des französischen Komponisten Georges Bizet (der nie in Spanien war) folgend, gewisse exotisch-spanische Elemente der Oper dem französischen Stil getreu zu belassen, so wie beispielsweise die Originalsprache und auch die Musik der Oper ebenfalls französisch ist.

Der ganze Steinbruch eine Bühne – Waba raffiniert

Doch die diesjährige Opernaufführung in St. Margarethen gewinnt vor allem durch das (wieder einmal) gelungene Bühnenbild von Manfred Waba sowie die ganze Präsentation der Freiheitskämpfer, Schmuggler oder auch dem Originalballett aus Spanien. Der Bühnenaufbau wurde bewusst nicht so pompös gewählt, wie etwa in den Jahren davor, mit der Spitze des Eisbergs bei Die Zauberflöte.

Die grosse Besonderheit ist dieses Jahr, daß weniger oft mehr ist und dafür aber quasi der ganze Römersteinbruch in das Bühnengeschehen mit einbezogen wird: plötzlich kommt ein Fackelzug von der hinteren Seite und zieht am Publikum vorbei, dann wieder gehen Menschen über eine Brücke, die 20 m hoch über der Bühne schwebt,  soldatenbeladene Wägen fahren quer durch die Szene, Pferde stolzieren vorneweg; was allerdings auch den ein oder anderen spannenden Moment ergibt, denn es handelt sich manchmal eben auch um recht eigenwillige Tiere.

Der Clou ist dieses Mal auch, daß der vordere Teil der Bühne in natürlichem Zustand belassen wurde und dies damit eine Art 3-D-Effekt ergibt. Die Darsteller bekommen dadurch eine besondere Nähe zum Publikum und scheinen manchmal wie zum Greifen nahe zu sein. Und natürlich wäre Manfred Waba nicht Manfred Waba, wenn er nicht seine geliebten raffinierten Effekte mit eingebaut hätte, wie etwa im Übergang vom 3. in den 4. Akt, wo das Bühnenbild praktisch von aussen nach innen gekehrt wird und wie durch Zauberei die Stierkampfarena erscheint. Anschließend kommt der Zuschauer in den minutenlangen Genuss von einzigartigen optischen Illusionen durch Projektionen. Eine Besonderheit ist hier auch die zur Szene des spanischen Bürgerkriegs mehr als passende überdimensionale Projektion des Gemäldes Guernica von Pablo Picasso, was die Schrecken dieses Krieges thematisiert.

Nächstes Jahr wird es in St. Margarethen wieder italienisch mit Giacomo Puccini und seiner Oper La Bohème. Und hoffentlich mit einem wieder ganz gesundeten Wolfgang Werner, mit dessen Worten die Oper in St. Margarethen praktisch beginnt!

(Foto: Opernfestspiele St. Margarthen)

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