Im Rausch guter Zahlen

Der burgenländische Tourismus glänzt mit guten Zahlen. In den ersten 3 Monaten 2010 konnte man sich über einen Zuwachs von 8,5 Prozent freuen, wie es in einem Wahlinserat heißt.  Und das nach einem rekordverdächtigem Haydnjahr.  Welchen Wert haben aber diese Zahlen? Im Interview mit  PFM spricht Burgenlandexperte Josef Gossy über die verspielte Chance des  Haydnjahres.

Josef Gossy kennt den burgenländischen Tourismus wie seine Westentasche. Er sammelte im Laufe seines Lebens in dieser Branche genügend Erfahrungen, teils durch das eigene Geschäft im Römersteinbruch, so wie auch selbst als Tourismusveranstalter, und das seit mehr als 50 Jahren.

P: Ist das Plus von  8,5 % eine Wahlente?

G: Die Statistik stimmt zwar, aber wie jedes Ding hat auch die Statistik 2 Seiten und die Politiker sehen meist nur die, die sie sehen wollen. Vor einem Jahr wäre dieses Inserat z.B. so nicht erschienen, denn da hatten wir ein Minus von 1,73 % in den ersten 3 Monaten.

P: Im Haydnjahr ein Minus?

G: Das Minus in den ersten 3 Monaten wäre nicht so schlimm, wenn die folgenden Monate das gebracht hätten, was erwartet wurde. Mehrere Jahre hindurch hat man nämlich von der Riesenchance des Haydnjahres gesprochen. In der Vermarktung hat man aber dann total versagt. In meinen Augen ist die Pleite des Haydnjahres auf Grund der vorhandenen Chancen mehrfach so groß wie die Pleite der misslungenen Segelweltmeisterschaft 2006.

P: Ein großes Wort. Läßt sich das auch belegen?

G: Die offizielle Tourismus-Statistik beweist es. Im ganzen Jahr 2009 gab es in Eisenstadt um 5.727 Nächtigungen mehr als ein Jahr zuvor = + 10,2 %. Im ganzen übrigen Bezirk gab es ein Plus von 2.686 Nächtigungen = + 0,8 %. Nehmen wir aber nur die Sommersaison Mai bis Oktober her, dann gab es in Eisenstadt um 3.467 mehr Nächtigungen und im ganzen übrigen Bezirk + 111 (!) Nächtigungen. Wer spricht da von einem Erfolg?

P: Es gab aber zahlreiche Veranstaltungen. Waren auch diese nicht erfolgreich?

G: Berichten zufolge dürften die vor allem von burgenländischen Kulturmanagern initiierten Ausstellungen und Veranstaltungen erfolgreich verlaufen sein. Diese konnten sich ja auch weitgehend auf heimisches Publikum stützen. Dazu zähle ich auch Tagesausflugsgäste aus benachbarten Bundesländern und Staaten. Kulturell also erfolgreich, wirtschaftlich leider relativ  unbedeutend.

P: Also lag die Schwachstelle im Tourismusbereich?

G: Ganz richtig. Wenn man nämlich – bildlich gesprochen – einen Lockvogel hat, den man zumindest in ganz Europa kennt und der noch dazu in der Musik daheim ist und man nicht in der Lage ist, daraus etwas zu machen, dann kann man das nur als blamables Versagen bezeichnen. Da der Schwerpunkt dieses Jubiläums im Gebiet der Neusiedlersee-Tourismus-Gesellschaft lag, habe ich den Chef dieser Institution kürzlich in einer Tourismus-Veranstaltung mit dieser Situation konfrontiert. Er wehrte sich mit dem Hinweis, dass die NTG nichts damit zu tun hatte. Die touristische Vermarktung lag in den Händen des Landestourismusverbandes.

P: Also hat Gucher den Schwarzen Peter in der Hand?

G: Dazu gibt es einiges zu sagen, aber Gucher war nicht allein der Schwachpunkt. Schließlich hat er Vorgesetzte und in diesem Fall auch noch einige Partner. Chef des Landesverbandes ist LH. Niessl, der die Macht und das geistige Rüstzeug hätte, hier etwas zu bewirken. Auf Grund seiner Überforderung als Politiker hat er aber einen Geschäftsführer eingesetzt, Herrn Landesrat Bieler, der aber meiner Meinung nach ebenfalls durch seine vielen Funktionen überfordert ist. Und so bleibt der Tourismus auf der Strecke und man überlässt das Feld Menschen, die einfach nicht in der Lage waren, diese einmalige Chance zu nützen, ja nicht einmal bereit waren, aussichtsreiche Werbe- und Organisationsangebote von außen zu unterstützen.

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