Aida – erst Pause, dann fulminant

Kristin+LewisDieses Jahr lief bei der Premiere in St. Margarethen alles ein wenig anders: die Eröffnung machte Barbara Rett, Wolfgang Werner sagte nur einen Satz, nämlich „Danke für die letzten 18 Jahre“ und die Frage ob die heurige Produktion aufgrund der Insolvenz gesichert sei, wurde von Seitens Esterházy endgültig geklärt.

Barbara Rettet die Eröffnung

Es war als ob ein allgemeines Aufatmen durch die Reihen geht. Gut, es geht weiter. Die Gäste hatten vielleicht auch ihre Bedenken und andere bis gar keine Erwartungen aufgrund des ganzen Presserummels im Vorfeld bezüglich der Pleite. Tatsache ist aber – da wir gerade bei Veränderungen sind – wenn eine Frau Rett die Eröffnung in St. Margarethen macht, das dies schon eine andere Qualität hat, wie wenn zwei ehemalige ORF-Sportreporter diesen nicht ganz unwichtigen Part des Abends übernehmen, so wie das in den letzten Jahren im Steinbruch der Fall war. Das macht sich allein schon darin bemerkbar, daß die Kulturjournalistin dem Premierenpublikum die Aufzählung der ganzen Politiker erspart hat und statt dessen ein wenig was von Verdi und Aida erzählte. Und spätestens dann, wenn die Opernball-Moderatorin eine ihrer Anekdoten Ioan Holender widmet und dieser sitzt zwei Reihen vor einem im Publikum, so daß man seitlich seine verschmitzte Mimik beobachten kann, dann hat das schon was und lässt auf die Zukunft hoffen.

Das Bühnenbild, erwartungsgemäß eindrucksvoll mit gigantischen Bauten und ausgeklügeltem Inneren, riesigen Leinwänden, die den Schauplatz noch wandelbarer machen und Sphinxen in beeindruckender Größe und luftiger Höhe. Die ganze Kulisse wirkte vielleicht eine Spur weniger pompös als in den vergangenen Jahren oder bei den letzten Aida-Produktionen im Steinbruch. Dafür waren die Kostüme umso prachtvoller.

Gesangliche Höhepunkte erst nach der Pause

Die erste Hälfte der Aida in St. Margarethen gestaltete sich ein wenig durchwachsen mit einem etwas starren Ablauf. Handlungstechnisch gab es viele Szenen mit Chor, Komparserie und Ballett. Wobei letzteres unter der Choreografie von Alessandra Panzavolta stellenweise eine schöne und abwechslungsreiche Leistung darbot. Bis auf den imposanten Siegeseinzug mit der bekannten Melodie hatten die beiden ersten Akte im ersten Teil der Aufführung nicht viel zu bieten. Das sollte sich nach der Pause ändern.

Die Unterbrechung nutzten die meisten Premierengäste dazu, sich entweder aufzuwärmen; wenn es auch nur am Glas Sekt und dem lauen (!) Bier war. Andere wiederum reisten gleich ganz ab. Es war einfach viel zu kalt für diesen 9. Juli. Man könnte jetzt auch mutmaßen, daß die 1. Hälfte die Gäste nicht genug gefesselt hat, und gemeinsam mit dem unleidlichen Wetter das dann einfach zu viel des Guten war. Allerdings haben diese Gäste den besseren Part des Opernabends verpasst. Denn erst im 3. und 4. Akt sollten sich die Solisten dann erst so richtig entfalten, vor allem die beiden Rivalinnen Aida und Amneris, zwei außergewöhnliche Erscheinungen und großartige Frauenstimmen. Die Sopranistin Kristin Lewis überzeugt als schöne äthiopische Sklavin Aida und die Italienerin Annunziata Vestri (Mezzosopran) verkörpert die Amneris, die Tochter des ägyptischen Königs mit kraftvoller Stimme. Der von beiden geliebte Radames wird von Tenor Martin Muehle dargestellt, dessen Stimme erst im 3. und 4. Akt überzeugen kann. Beeindruckend ist auch der Bariton von Alexey Dedov, der als Amonasro den Vater Aidas mimt.

Zuviel mediale Ablenkung

Die einzelnen Szenen werden auch heuer wieder von den typischen Projektionen hervorgehoben, mit denen Robert Dornhelm seit letztem Jahr den Opernfestspielen seine Handschrift verleiht. Manche Einspielungen können jedoch nicht richtig wirken. Wenn etwa die großflächigen Gewänder der Tänzerinnen als Projektionsschirme fungieren sollen, was aber nicht gut gelingt, da der Wind diese immer wieder verweht. Auch gibt es Überschneidungen, vor allem im zweiten Teil. Das heißt, wenn die Ausschnitte zweier Darsteller einzeln nebeneinander laufen und sich die Personen dann zu nahe kommen, gibt es diese Überscheidungen. Da erscheint dann einer doppelt, was irritierend, wenn nicht sogar störend wirkt. Diese Projektionen auf der Felswand sind vielleicht gut gemeint, und haben augenscheinlich den Sinn die Mimik der Sänger in Szene zu setzen, so daß auch die Opernbesucher in der 50. Reihe den jeweiligen Gesichtsausdruck erkennen können. Allerdings geht dadurch das Gefühl verloren, man ist zu stark medial abgelenkt und kann sich nicht auf den Gesang konzentrieren. Es gibt eben diesen Unterschied zwischen Oper live und Film.

Das schlimmste kommt zum Schluss und hat ein wenig mit persönlichem Pech zu tun. Schlußszene: beim gemeinsamen Liebes- und Todesgesang von Aida und Radames, wenn die beiden Liebenden im Kopf der Sphinx in die Ewigkeit verschwinden und dieses wunderbare Duett dann noch vom Schlussgebet von Amneris an ihren Geliebten harmonisch begleitet wird – sie steht indes eindrucksvoll auf dem Kopf der riesigen Spinx. Gerade als sich dann dieses Gefühl einstellt, was einem an diesem Abend sowieso nicht so leicht gelingt, genau in diesem Moment dröhnt von hinten die elektronische Stimme eines Handys: „ES KONNTE KEIN NETZWERK GEFUNDEN WERDEN!“ Willkommen in der Wirklichkeit – da haben wir sie wieder, die mediale Ablenkung. Wenn sie nicht von der Bühne kommt, dann eben von anderer Seite. Einfach zu schade.

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