„Nessun dorma – niemand schlafe“ eine der berühmtesten Arien der Operngeschichte erklingt diesen Sommer im Steinbruch in die Nacht hinein. Puccinis letzte Oper „Turandot“, die der italienische Komponist unvollendet ließ, findet in St. Margarethen heuer seine Vollendung.
Es ist 20:30 Uhr, Schauplatz Opernbühne – Premiere, das Wetter verspricht entgegen der Prognosen friedlich zu bleiben und wartet auf mit besten Festivaltemperaturen. Eigentlich sollte Turandot genau jetzt beginnen. Allerdings ist gefühlt das halbe Publikum noch auf den Beinen. Der künstlerische Direktor Daniel Serafin greift zum Mikro und begrüßt schon mal seine Gäste. Dass die Premiere mit einiger Verspätung beginnen wird und ihm auch schon der ORF im Nacken sitzt, der die Live-Übertragung endlich starten will, merkt man ihm überhaupt nicht an. Mit Witz und einem gewissen Esprit empfängt er die Ehrengäste wie Peter Weck und lässt es sich nicht nehmen seinen Vater Harald Serafin seine gebührende Würdigung auszusprechen – ein besonderer Moment. Lasset die Oper beginnen.
Es ist die Geschichte der chinesischen Prinzessin Turandot, die ihren Verehrern drei Rätsel stellt. Bisher sind alle gescheitert und müssen mit dem Tode bezahlen. Bis Calaf aus dem Reich der Tataren kommt, der Sohn Timurs, der mit seiner liebenswerten Sklavin Liù gerade auf der Flucht ist. Er schafft es nicht nur die Rätsel zu lösen, sondern stellt der Prinzessin ebenfalls eine Aufgabe: sie soll seinen Namen, den keiner kennt, bis zum nächsten Sonnenaufgang erraten. Gelingt ihr das nicht, wird Calaf ihr Gemahl. So darf nichts und niemand im Kaiserreich schlafen in dieser Nacht: Nessun Dorma! Denn der Name des geheimnisvollen Fremden muss gefunden werden…
So poetisch und märchenhaft der Stoff dieser Oper ist, so viel an Potenzial hat sie auch, um das Publikum mit dem Bühnenbild, Kostümen und Dramaturgie in eine andere Welt zu versetzen. Dies ist in St. Margarethen dieses Jahr gut gelungen. Dafür wurde die komplette Bühne für das Bühnenbild geschickt genutzt. Die verschiedenen Bilder des jeweiligen Akts wie vor den Mauern der Kaiserstadt, Kaiserpalast, Schlossgarten oder etwa die Schlussszene, die außerhalb der Stadt spielt, wurden sowohl in die Breite als auch bis in die oberen „Lagen“ kreiert; das Libretto zum Mitlesen dezent im Palast „verbaut“. Ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Zauberwelt der Turandot machen aber die Kostüme aus. Angefangen von der Prinzessin selbst, die als „schöne Unnahbare“ eine wahre Erscheinung ist, die die Kostüm- und Maskenbildner hier geschaffen haben. Aber auch die Figuren der Statistinnen und Statisten wie etwa die Damen im chinesischen Gewand und mit der typischen Maske oder die Henkerinnen mit ihren großen Schwertern und anmutigen Bewegungen, sind so präzise in der Aufmachung konstruiert, dass sie ganz wesentlich zum Gesamtbild der exotischen Opernmärchenwelt beitragen. Überhaupt wurde sehr auf den Ausdruck der chinesischen Kultur geachtet, die hier im Bühnenbild mit den typischen Bauten oder den Spezialeffekten aber auch in den Kostümen erzählt wird – Stichwort chinesisches Porzellan.
Besetzung
Was die Besetzung dieses Jahr anbelangt, ist eindeutig spürbar, dass hier die Qualität der international renommierten Sänger*innen zugelegt hat. Sei es eine Martina Serafin, die nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch und mimisch der Charaktere der zunächst unnahbaren, gefühlskalten Turandot entsprochen hat und in ihr aufgegangen ist. Donnata d’Annunzio Lombardi, eine der gefragtesten Puccini-Sopranistinnen als aufopfernde Liù, der tragischen Figur dieser Oper, die mit ihren gefühlvollen Arien nicht nur das wankelmütige Volk im Stück sondern auch das Publikum mit großartiger Stimme und Mimik bewegt. Andrea Shin als Calaf ist wie gemacht für diese Rolle, was er bereits an großen Opernhäusern unter Beweis stellte. Das Bravourstück „Nessun Dorma“ hat bei der Premiere nicht nur das Publikum glücklich gemacht, sondern augenscheinlich auch den überzeugenden Tenor selbst. Für die musikalische Umsetzung der geheimnisvollen Musik Puccinis mit ihren exotischen Klängen und der mitreisenden Melodik, zeichnet der italienische Dirigent Giuseppe Finzi verantwortlich, bekannt von der Mailänder Scala. Gemeinsam mit dem Piedra Festivalorchester und dem Philharmonia Chor Wien versetzt er das Publikum in die märchenhafte Welt dieser Geschichte.
Fazit: Der lange Applaus am Ende der Premierenvorstellung macht deutlich, dass die diesjährige Oper im Steinbruch mit Turandot beim Publikum ein voller Erfolg ist. Es ist eine neue Qualität der Inszenierung im Steinbruch spürbar. Allerdings ist es schade, dass das Opern-Publikum hier nur teilweise dieser Leistung Wertschätzung entgegenbringt. Dies zeigt sich vor allem darin, dass kaum der letzte Ton gespielt ist, ein Teil der Zuschauer durch das Blickfeld der sitzenden Gäste hastig das Gelände verlässt. Zum anderen gibt es seitens der Festspielleitung heuer noch Luft nach oben, was die Organisation des Parkleitsystems betrifft. Selbst 30 Minuten nach Beginn der Premiere suchten immer noch Zuschauer ihren Platz, die sich aufgrund des Staus verspäteten. Das ist nicht nur äußerst störend für das Publikum, sondern auch für die Darsteller*innen, die laut eigener Aussage die lange Unruhe im Publikum bemerkten.
Tipp: Wenn man sich auf Turandot einlässt, dann gelingt es leicht, seine persönliche Lieblingsszene zu finden, die einen nicht mehr loslässt und die für immer bleibt. Meine Szene ist das Duett von Turandot und Calaf am Ende des 2. Aktes – unbedingt live anschauen!
Gerade nach Corona, wo die Künstler endlich wieder spielen können, sollte man ihnen wenigstens den Moment des Applauses gönnen, damit sie wieder das Gefühl haben vor Publikum auftreten zu dürfen. Liebe Leute: nIcht wegrennen, derweil die Sänger und Statisten noch auf der Bühne stehen.