Regensturm raubt Carmen die Show!

Gestern Abend fand inmitten der prächtigen Kulisse im Steinbruch St. Margarethen im Burgenland die Opernaufführung „Carmen“ statt, die leider von einem unerbittlichen Unwetter überschattet wurde. Die Premiere musste nach dem 2. Akt während der Pause abgebrochen werden, als ein heftiges Gewitter über die Region hereinbrach.

Harald Serafin, Ingeborg Serafin und Daniel Serafin (c) Katharina Schiffl

„A touch of Hollywood“, so nennt es Opernfestpiel-Intendant Daniel Serafin bei seiner Eröffnungsrede am Premierenabend in St. Margarethen recht treffend, wenn er die Inszenierung der Oper „Carmen“ als „cineastische Carmen-Welt“ beschreibt, die es diesen Sommer im Steinbruch in einer Neufassung zu sehen gibt.

Denn Regisseur Arnaud Bernard verwandelt das ganze „Setting“ auf der Bühne in ein Filmstudio der 1950-er Jahre. Hinzu kommt als weitere Ebene, dass die Handlung, die hier filmisch festgehalten wird, zeitlich in die Zeit der 1930-er Jahre Spaniens hineinkatapultiert wird, wo gerade der spanische Bürgerkrieg wütet. Und mittendrin Carmen als Widerstandskämpferin.

Die Inszenierung schlägt mit diesem Kunstgriff der Verbindung von Film und Oper eine Brücke zur Moderne, ohne dass dies zu sehr als „starker Kontrast“ zur wirklichen Zeit der Handlung empfunden wird, wie dies oft bei vielen zeitgenössischen Inszenierungen der Fall ist.

Sich als Zuschauer*in auf diese zwei Welten bestehend aus Oper und Film einzulassen, ist allerdings nicht gerade einfach und gelingt nur bedingt. Und zwar dann, wenn eine Szene gerade „abgedreht“ wird, also zwischen „Action“ und „Cut“, die der Regisseur innerhalb der Inszenierung immer wieder ins Geschehen hineinruft und einen damit eigentlich aus der Opernwelt herausreißt. Die gleichzeitige Abfolge von mehreren Szenen an verschiedenen Schauplätzen im Sinne einer Parallelmontage erzeugt eine gewisse Spannung, die den „klassischen“ Opernfan aber auch leicht überfordern kann. Hinzu kommt die Live-Übertragung am Premierenabend, wo die zusätzlichen Kameras aus der „Echt-Zeit“, die damit den Zeitsprung erhöhen, für zusätzliche Ablenkung sorgen und damit die Konzentration beim Publikum auf eine Zerreisprobe stellen. Glücklicherweise nur eine situationsbedingte Ausnahmeerscheinung.

Nichtsdestotrotz sind es Bizets weltbekannte Melodien für die wir „Carmen“ unter anderem so sehr lieben wie die Habanera oder das Torero-Lied, die einen dann doch in die Opernwelt mitnehmen und ein wenig verweilen lassen, ohne dass man diese dann ruckartig wieder verlassen muss. Und was wäre George Bizets Carmen ohne eine überzeugende „Carmencita“? Das ist heuer in St. Margarethen mit der Sopranistin Joyce El-Khoury mit Bravour gelungen, die nicht nur mit ihrer Stimme begeistert, sondern auch mit ihrer ganzen Gestik und Mimik und damit die typische rassige Spanierin verkörpert.

Auch Brian Michael Moore überzeugt als Carmen verfallener Don José, der es vor allem im 2. Akt mit dem berühmten „Blumenlied“ schaffte beim Publikum über das Filmsetting hinaus Emotionen zu erwecken.

Buehne_Carmen (c) Katharina Schiffl

Das Bühnenbild bestehend aus 6 unterschiedlichen Drehbühnen in Form einer „Backstage“-Kulisse ist erfrischend anders und widerspiegelt die Idee dieser Neuinszenierung in Form des Filmsets sehr stimmig, so dass man sich als Zuschauer*in wirklich in eine Hollywood-Film-Welt der 50er Jahre hineinversetzt fühlt. Dazu tragen natürlich wie immer bei der Oper in St. Margarethen die authentischen Kostüme bei und die für die Zeit so typischen Requisiten wie etwa die riesigen Kameras, die man in den 50ern beim Film hatte.

Gerne hätte man noch mehr von der einen Darstellerin oder dem anderen Darsteller gesehen und gehört, wie etwa einer Micaela (Vanessa Vasquez) oder Escamillo dem Tenor (Vittorio Prato); ganz zu schweigen das zu erwartende emotionsgeladene Finale.

Leider wurden wir abrupt aus dieser mitreißenden Geschichte gerissen, als der Regen unaufhörlich einsetzte und die Vorstellung vorzeitig abgebrochen werden musste. Der spannende Handlungsstrang fand somit einen plötzlichen und unerwarteten Schlusspunkt. Während sich das Publikum unter den Schirmen vor dem Regen schützte, sagte Daniel Serafin mit bedrückter Stimme: „Ich bin heute der traurigste Intendant der Welt.“

Die Enttäuschung über den Abbruch der Aufführung war in aller Munde. Sowohl das Publikum als auch das Personal waren gleichermaßen betroffen. Dennoch sollten wir bei schwierigen Wetterbedingungen stets einen kühlen Kopf bewahren und uns nicht zu Handgreiflichkeiten hinreißen lassen, wie es leider beim Verlassen des Geländes der Fall war.

Es bleibt zu hoffen, dass die Wetterbedingungen in den kommenden Tagen wieder gnädiger sind, damit das Publikum die Gelegenheit erhält, diese faszinierende Inszenierung von „Carmen“ in ihrer vollen Pracht zu erleben.

Wer sich also ein eigenes Bild vom 3. und 4. Akt machen möchte, gespielt wird von Donnerstag bis Sonntag noch bis 20. August 2023.

https://www.operimsteinbruch.at/ (Titelbild © Jerzy Bin)

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super muss man nichts hinzufügen . treffend kritisch und nicht verbogen oder sohalt sehr gut