Frühjahr 1914 im Schloss Konopischt, südlich von Prag, Kreis Beneschau. Die Gärtner tuscheln miteinander, es ist ein sonniger Tag. „Der Prohaska ist wieder unterwegs!“ Die tschechischen Bedienten nennen so Erzherzog Franz Ferdinand aus dem Haus Österreich-Este, halb belustigt, halb ehrerbietig: Denn er macht tagtäglich, wenn er nicht im niederösterreichischen Artstetten weilt sondern hier in Böhmen, frühmorgens einen „prohaska“ – einen Spaziergang, ein Wort, das sich heute noch immer in vielen Familiennamen sowohl in der tschechischen Republik als auch in Österreich findet.
Franz Ferdinand ist der erste Habsburger seit Maria Theresia, mit dem man in Böhmen „kann“. Zum einen ist es die Liebesheirat mit einer böhmischen Adeligen, morganatisch natürlich – denn sie war nur eine Gräfin, Sophie von Chotek. Zum anderen bemüht er sich intensiv – und man hofft da auf seine künftige Kaiserwürde – um einen Ausgleich zwischen den böhmischen Ländern und den Habsburgern in Wien nach dem Muster des Vertrages von 1867 mit Ungarn. Vielleicht ist dieser Aspekt mit ein Grund, warum man im heutigen Tschechien keine „Berührungsängste“ mit den Habsburgern hat.
Bis jetzt wurde ihnen allerdings nirgends ihr Besitz zurückgegeben, aber in der heutigen Zeit scheint vielleicht bei unseren nördlichen Nachbarn mehr möglich als in Österreich. Das alles sieht und hört man auch bei den regelmäßigen Führungen im nunmehr staatlichen Schloss Konopiste.
Nur am Rande: In Benesov (Beneschau) braut man schon seit Jahren ein „Ferdinand“ Bier mit Kaiseradler und Abbild des Thronfolgers auf dem Etikett …
Das Unglück von Franz Ferdinand und seiner Gattin Sophie und damit eines ganzen Jahrhunderts begann am 24. Juni 1914, als die beiden vom Budapester Ostbahnhof mit der ungarischen Eisenbahn Richtung Bosnisch Brod in Bosnien-Herzegowina aufbrachen. Noch heute ist die Postkarte an den Sohn Max von Hohenberg (Sophie wurde nach der Hochzeit vom Kaiser zur Fürstin von Hohenberg ernannt, allerdings waren die Kinder aus dieser Ehe nicht für die Thronfolge vorgesehen, Anm.d.Verf.) erhalten:
„Eben in Bosnien angekommen. Reisen jetzt die Nacht weiter. Denke so innig an Dich, geliebtes Kind. Gottes Segen, Mami. 24. VI.!“
Anlass zu der Reise nach Sarajevo waren Manöver in Bosnien-Herzegowina, seit 1878 unter österreichischer Verwaltung, 1908 annektiert – am Berliner Kongress Österreich-Ungarn als ehemalige türkische Provinz übertragen. Ein Land, das nach 500jähriger Türkenherrschaft Anschluss nach Europa suchte.
Hinter sich die serbische Geheimorganisation „Schwarze Hand“ (Crna ruka) – die Waffen lieferte der serbische Geheimdienst – plante eine Gruppe von sechs jugendlichen Hitzköpfen ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger, um das Verhältnis Serbien – Österreich zu destabilisieren und Unruhe zu stiften. Bei der dilettantischen Planung rechnete freilich mit der Tötung des Österreichers niemand.
Doch es kam anders: Nach einem erfolglosen Bombenattentat auf das Auto Franz Ferdinands am Appel-Kai wurde zwar die Fahrtroute der Autokolonne geändert aber durch einen Fahrfehler des Chauffeurs kam der Gräf & Stift des Thronfolgers zum Stehen. Diesen ungewollten Halt nutzte ein weiterer Attentäter, Gavrilo Princip, und erschoss aus wenigen Metern Entfernung sowohl Franz Ferdinand als auch dessen Gemahlin Sophie. Um elf Uhr vormittags am 28. Juni starb der Thronfolger 10 Minuten nach der geliebten Frau.
Die beiden Toten wurden mit der „Viribus Unitis“ nach Triest gebracht und nach der Aufbahrung nach Wien überstellt. Wegen der „morganatischen“ Verbindung von Franz Ferdinand und Sophie wurde der Zug erst spät abends am Südbahnhof erwartet um „den Wienern nicht die Möglichkeit zu geben, der toten Herzogin mehr Ehren zu erweisen, als ihr zukämen“. Nur für drei Stunden am Morgen des 3. Juli war die Öffentlichkeit für die Abschiednahme von den aufgebahrten Toten zugelassen.
Wer damals in die Hofburgkapelle kam, dem bot sich ein eigenartiger Anblick: Der Sarg der Herzogin von Hohenberg stand 35 Zentimeter tiefer als der ihres Gemahls! In der folgenden Nacht wurden die Toten mit einem Trauerzug der Westbahn nach Pöchlarn gebracht, wo er um zwei Uhr früh anlangte. Für den Weitertransport und die Begräbniszeremonie war die Wiener Städtische Leichenbestattung zuständig.
Es war das erste und letzte Mal, dass ein österreichisch-ungarischer Thronfolger kein Hofbegräbnis erhielt.
Nach der Einsegnung durch den Abt von Maria Taferl erfolgte um 11 Uhr die Beisetzung in der Familiengruft in Artstetten, die erst wenige Jahre zuvor in der Artstettner Kirche errichtet worden war. Schloss Artstetten befand sich schon seit längerem im Besitz des Hauses Habsburg. Hier hatte Franz Ferdinand seine Kindheit verbracht ohne zu ahnen, dass er einmal nach dem Tode des Kronprinzen Rudolf als Thronerbe in Erwägung gezogen würde.
Heute sind Schloss Artstetten und die Gruft im Familienbesitz der Hohenbergs. Im Schloss Artstetten ist das „Erzherzog-Franz-Ferdinand-Museum“ für die Öffentlichkeit zugänglich.
Am 28. Juli, genau ein Monat nach dem Attentat unterschrieb Franz Josef in Bad Ischl die Kriegserklärung an Serbien „Manifest, An meine Völker …“ Der erste Weltkrieg beginnt. Der Attentäter und Mörder des Kronprinzenpaares, Gavrilo Princip, wird zu zwanzigjähriger Festungshaft in Theresienstadt (heute: Terezin, Tschechische Republik) verurteilt und stirbt in seiner Zelle am 29. April 1918. Nach dem Krieg wurde er ins junge Jugoslawien übergeführt und in Sarajewo 1920 feierlich (!) bestattet.
Info: Erzherzog-Franz-Ferdinand-Museum
3661 Artstetten 1, Tel 07413-8006-0
www.schloss-artstetten.at