Doping-Sünden neu überdenken

Der Jubel verstummt, die Fans kehren ihren Stars den Rücken – die Sport-Journalisten ändern die Schlagzeilen: Doping steht jetzt für Erfolg. So mancher hat alles riskiert, damit aber auch alles verloren: Ruhm, Geld und nicht zuletzt die Ehre. Ein Parade-Beispiel der letzten Jahre ist Tour de France-Star Bernhard Kohl. Zuerst zerrte er von CERA, jetzt nagt dieses Präparat an seiner sportlichen Karriere – vier Jahre Berufsverbot. Es ist die dunkle Seite des Sports.

„Eine verdammt lange Zeit, du stehst danach beinahe wieder am Anfang“, sagt einer, der es wissen muss: Hans Tesar, Pharmazeut, Sportler und einer von jenen, die sich hierzulande mit der erlaubten und unerlaubten Einnahme von Medikamenten im Bereich des Leistungssports zu befassen haben. „Gedopt wurde schon immer“, ergänzt der Experte, „früher aber war die Verbotsliste kurz, die mit den erlaubten Pillen und Ampullen weit länger, heute ist es umgekehrt.“

Tesar blättert in einer Anti-Doping-Broschüre des ÖADC aus dem Jahre 2002 und meint dann: „Die Grenzen sind einfach falsch gesetzt, weil da auch Kräfte am Werk sind, die selbst den Sport kriminalisieren möchten!“

Auf keinen Fall kriminalisieren will Österreichs Sport-Minister Norbert Darabos die Doping-Fälle. „… allerdings werde ich da mit Hilfe der NADA mit eiserner Faust durchgreifen.“
Weil für den gebürtigen Burgenländer, einstigen Sportler und Sozialdemokraten stets gleiche Wettbewerbsbedingungen vom Start weg zu gelten hätten. Doping allerdings sei gleichzusetzen mit Unfairness. Werden aber auch die Profisportler weltweit immer gleich und fair behandelt? So etwa von der WADA (das ist die internationale Anti-Doping-Behörde) oder auch der NADA (die nationale „Zweigstelle“). Das Spektrum ist breit – es reicht von wahren Sündern, die mit einer „Überdosis“ zu Höchstleistungen gelangen, über „Notfälle“ (vorbeugende Maßnahmen) bis hin zu echten Opfern, wo Verleumdung im Spiel sein könnte.

Ein solches (oder besser ähnliches) Beispiel scheint der burgenländische Radrennfahrer Michi Kopf abzugeben. Er wurde heuer kurz vor der Österreich-Rundfahrt suspendiert. „Der Bua ist nach Erhalt der Nachricht förmlich vom Himmel gefallen, die Saison 2010 ist so gut wie kaputt“, kann Vater(-Manager) „Pepsch“ Knopf, den Tränen nahe, seine Enttäuschung nicht verbergen. Michi Knopf tatsächlich ein Opfer? Diese Frage hat die NADA zu klären.

Was steckt nun wirklich dahinter? „Vor geraumer Zeit wurde ein Telefonat zwischen zwei Rennfahrern abgehört. Bei diesem Gespräch fiel auch mein Name“, erzählt der Bahn-Staatsmeister der vergangenen Jahre – das war’s. Daraufhin hat man Knopf bei der NADA „vernadert“, weil es da nicht nur um ihn ging, sondern offenbar ebenso um’s „Schlucken“. Fazit: Sperre!

Michi Knopf jedenfalls soll nicht nur ein sauberes Gewissen haben, sondern ebenso saubere Blutwerte. Einem Test musste er sich noch keinem unterziehen, „wär‘ auch schon viel zu lange her!“ Ebenfalls sehr lange dauerte es, bis man Kohl und Co. (insgesamt waren es vier Fahrer verschiedener Nationen), die CERA (Continuous Erythropoiesis Receptor Activator) bei der Tour de France 2008 genommen hatten, mittels Urinproben überführen konnte. Monate lagen dazwischen, aber dennoch – wie man weiß – früh genug.

„… wahrscheinlich waren die Burschen davon überzeugt, dass dieses neue EPO-Präparat nicht nachweisbar sei“, sagt Tesar. „Außerdem war bis zur Tour 2008 nie der Verdacht einer mißbräuchlichen Verwendung von Cera im Sport gegeben.“  Doping solle man, so der einhellige Tenor von Hans Tesar, vieler seiner Pharma-Kollegen und Sportmediziner, nicht billigen, „…doch gehört hier einiges neu überdacht. Der feine Unterschied liegt nicht zuletzt darin, dass man wissen muss, wo Profis und Amateure einander die Hände reichen können.“

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