Sündhaft heiß, und das in einer lauen Sommernacht, wird einem bei dem Stück „Außer Kontrolle“ bei den Kobersdorfer Schloss-Spielen. Lange hat man auf diesen Moment gewartet – Corona bedingt. „Wir können spielen, sie dürfen zuschauen“, sagt Wolfgang Böck zu Beginn. Und das ist gut so. Landeshauptmann Doskozil in blauem Anzug ohne Krawatte aber mit Freundin Julia in schwarzem, ärmellosen Overall; LH-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf in giftgrünem Kleid mit großen Prints; Landtagspräsidentin Verena Dunst sowie Ex-Tourismuschef Gerhard Gucher mit Gattin und viele andere Promis schauten sich gestern die Premiere an. Der Zuschauerraum bis auf den letzten Platz gefüllt. Sicherheit geht vor. Am Eingang wird nach 3G kontrolliert: Ausweis – Impfpass – reingehen – amüsieren.
Ray Cooney schrieb diese „very british“ Komödie als Zweiakter. Im Mittelpunkt steht ein hochrangiger Politiker, der in einem Hotelzimmer ein Tête-à-Tête mit der Sekretärin des Oppositionsführers hat. Bevor jedoch die letzten Hüllen fallen, gerät das erotische Abenteuer „Außer Kontrolle“.
Das Bühnenbild von Erich Uiberlacker dezent, aber dennoch im Hintergrund farbenfroh in Lila und Rosa gehalten; davor ein Sofa und eine Palme. Uiberlacker überlässt den Raum den Darstellern. Eine Tür links, eine Kastentür rechts, in der Mitte ein großes Panoramafenster, welches eine Schlüsselrolle innehat. Kompliment an dieser Stelle, dass die Mechanik so gut funktioniert!
Gerti Rindler-Schantl bleibt bei den Kostümen in England. Vom eleganten, beigen Hosenanzug der Pamela Willey (Hemma Clementi) über den Pagenanzug in tiefrosa, bis zum blauen Anzug mit heller Krawatte von Richard Willey (Wolfgang Böck) – alles perfekt abgestimmt. Bei der Unterwäsche kann sich Rindler-Schantl ein wenig austoben. Zu sehen etwa beim Abgang von Daniel Keberle als Ronnie Worthington im zweiten Akt, als er seinen Stringtanga unverblümt dem Publikum zeigt – das ein kurzes Raunen zufolge hat. Ebenfalls ausziehend schön das schwarze Negligée der Nanette Waidmann.
Der erste Akt langweilt sich ein wenig durch das Geschehen. Wolfgang Böck als Richard Willey müht sich in das Stück; Wolf Bachofner als Hoteldirektor scheint im Hotel noch nicht angekommen zu sein; Hotelpage Markus Freistätter verwechselt britischen Humor mit rüpelhaftem Benehmen – was sich im zweiten Akt dann positiv verändert. Nanette Waidmann als Jane Worthington in roter Unterwäsche und schwarzen Strümpfen ist im Appartement 648 in ihrer Rolle – sie legte ihre Hemmungen von Anfang an ab. Zu Beginn dauerte es ein Weilchen bis der Wortwitz Abnehmer findet. Das kommt mit dem Auftritt von Alexander Jagsch. Die Rolle George Pidgen ist ihm auf den Leib geschnitten. Jagsch ist Engländer, ist George. Unterstützt von einem Sirtaki-Schnipsel kommen nun auch die Zuschauer in Fahrt – wenn auch noch etwas zögerlich.
Aber es wäre nicht Kobersdorf, wenn nicht das Trio Waidmann, Böck, Jagsch zuschlagen würde: Gags on Fire. Vor allem dann im zweiten Akt. Das Trio reißt das ganze Ensemble mit, läuft zur Höchstform auf und lässt das Publikum nicht mehr zur Ruhe kommen. Applaus, Applaus.
Ich will nicht allzuviel von „Außer Kontrolle“ verraten, aber ich hab‘ selten so eine gute „Stumme Rolle“ – wie die von Michael Reiter als Leiche – gesehen. Der Slapstick erinnert mich an die legendären Marx Brothers. In der Sprechrolle gefiel er weniger. Barbara Spitz, in der Rolle der Gladys Foster, überzeugt besonders in der Kussszene mit Alexander Jagsch. Daniel Keberle spielt den Ronnie Worthington – einen eifersüchtigen Rocker: wild, laut und dann wiederum ein Sensibelchen. Ich mag diesen Typen. Zu guter Letzt Hemma Clementi als Pamela Willey, die ihren lauten Auftritt erst im zweiten Akt hat. Aber dann lautstark mit kräftiger Stimme: Was für ein Bums!
Regisseur Andy Hallwaxx, Dramaturg Oliver Binder und Produktionsleiterin Karin Gollowitsch haben mit „Außer Kontrolle“ eine freche und frivole Politkomödie auf die Bühne gebracht, die Sie sich einfach anschauen müssen. Sie trifft den Zahn der Zeit haargenau. Spielzeit: 6. Juli bis 8. August 2021. Empfohlen über 16.
Apropos: Wolfgang Böck ist immer für Überraschungen gut. Mitten im Stück verkündet er süffisant: Italien-Spanien steht 1:1. Böser Böck. Zum Glück gabs hinterher Elferschießen. Ich denke ein Teil des Ensembles hat hinter den Kulissen Fußball geschaut. Hätte, hätte Fahrradkette. Hätte das Trio Nanette Waidmann, Wolfgang Böck, Alexander Jagsch bei der Fußball-EM für Österreich gespielt – vor allem in der zweiten Halbzeit – dann stünden wir jetzt im Finale. Gegen England. In London.