Im Jahre 1933 ließ eine schöne junge Österreicherin für einen Regisseur ihre Hüllen fallen. Sie lief durch den Wald, nackt. Sie schwamm in einem See, nackt. Und setzte sich somit weit über die sozialen Normen und Grenzen der damaligen Zeit hinweg.
Obwohl 1933 der beliebteste Film King Kong war, redete in Hollywood alles über den skandalösen Film „Ekstase“ mit dieser jungen Frau aus Österreich. Louis B. Mayer, Studiochef von Metro-Goldwyn-Mayer sagte, sie sei die schönste Frau der Welt. Der Film wurde überall verboten, vor allem wegen der Liebesszene und der sexuellen Erregung, welche der Protagonistin förmlich ins Gesicht geschrieben war. Das Tabu machte den Film natürlich nur noch gefragter und wertvoller. Auch Mussolini besaß eine Kopie und weigerte sich angeblich, diese zu verkaufen, egal zu welchem Preis.
Schönes Sternchen mit Köpfchen
Der Star des Films war Hedwig Kiesler, die von sich behauptete, das Geheimnis ihrer Schönheit sei „da zu stehen und dumm auszusehen“. In Wirklichkeit war Frau Kiesler alles andere als dumm. Sie war ein Genie. 1914 in Wien geboren, wuchs sie als einziges Kind eines prominenten jüdischen Bänkers und einer Konzertpianistin auf. Sie war ein mathematisches Wunderkind und hatte eine Auszeichnung in Naturwissenschaften.
Als sie dann älter wurde, wollte sie es dann so richtig wissen. Neben den sexy Rollen, die sie spielte, verdrehte sie mit ihrer ungeheuren Schönheit und der Macht ihrer Intelligenz den Männern den Kopf. Darunter ihre sechs Ehemänner und zwei der brutalsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts sowie einer der größten Filmproduzenten in der Geschichte.
Eine zeitlang konnte sie von ihrem Aussehen gut leben. Es heißt sie soll im Laufe ihres Lebens 30 Millionen Dollar verdient und ausgegeben haben. Ihre größte Leistung aber resultiert aus ihrem Verstand und ihrer Erfindung, die weiterhin die Welt in der wir heute leben, prägt. Dieser Jungstar aus Österreich entwickelte eine der wertvollsten Technologien praktisch unter Hitlers Nase. Nach ihrer Flucht nach Amerika wurde sie nicht nur eine Hollywood-Diva, sondern setzt ihren Name auch auf eines der wichtigsten Patente, die das US- Patentamt jemals vergab.
…unter Hitlers Nase
Wenn wir heutzutage unser Handy benutzen oder in den nächsten Jahren, wenn wir superschnellen drahtlosen Internet-Zugang nutzen über etwas namens „Long Term Evolution“, kurz “ LTE „-Technologie, so verwenden wir nichts anderes als eine Erweiterung der Technologie, welche die damals 20-jährige Schauspielerin als erste entwickelte, während sie mit Hitler beim Abendessen saß. Zu der Zeit, als Hedwig Kiesler den Film „Ecstasy“ produzierte, war sie mit einem der reichsten Männer Österreichs verheiratet. Friedrich Mandl war Chef der Hirtenberger Patronenfabrik, somit der führende Munitionshersteller in Österreich und millionenschwer. Seine Firma war gerade dabei ein wichtiger Lieferant für die Nazis zu werden, als Mandl seine schöne junge Frau als Vorzeigeobjekt an wichtigen Geschäftsessen mit Vertretern der österreichischen, italienischen und deutschen faschistischen Kräfte nutzte. So beinhalteten diese Treffen auch gemeinsame Essen mit Hitler und Mussolini.
Eines von Mandl’s Lieblingsthemen bei der gepflegten Konversation betraf die Technologie rund um ferngesteuerte Raketen und Torpedos. Drahtlose Waffen boten weit größere Reichweiten als die „kabelgesteuerten“ Alternativen, die zu der Zeit herrschten. Kiesler saß diese Dinner als „unwissende Teilnahmslose“ ab, in Wirklichkeit absorbierte sie alles, was sie gehört hatte. Als Jüdin hasste sie klarerweise die Nazis und sie verabscheute die Geschäftsambitionen ihres Mannes. Mandl reagierte auf seine eigenwillige Frau durch ihre Inhaftierung in seiner Burg Schloss Schwarzenau . Im Jahr 1937 gelang es ihr, zu entkommen. In Verkleidung der Bediensteten schlich sie sich aus dem Schloss und verkaufte ihren Schmuck um ihre Flucht nach London zu finanzieren.
Sie stieg gerade noch rechtzeitig aus, denn 1938 annektierte Deutschland Österreich und die Nazis beschlagnahmten Mandls Werk – er war halb jüdisch. Mandl floh nach Südamerika und wurde später Berater des argentinischen Präsidenten Juan Peron. Zwischenzeitlich in London, arrangierte Frau Kiesler ein Treffen mit Louis B. Mayer. Sie unterschrieb bei ihm einen langfristigen Vertrag und wurde zu einem der größten Stars der Metro-Goldwyn-Mayer Studios. Sie erschien in 27 Filmen und spielte unter anderem mit Clark Gable, Judy Garland und Bob Hope. Aber Kiesler interessierte sich mehr noch für die Bekämpfung der Nazis als fürs Filmemachen. Auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes 1942, entwickelte sie eine neue Art von Kommunikationssystem, optimiert zum Senden von verschlüsselten Nachrichten, die nicht von einem anderen Sender gestört werden konnten. Sie baute ein System, mit dem Torpedos und gesteuerte Bomben immer ihre Ziele erreichen würden – ein System, um Nazis zu töten.
Patent für Hedy’s Frequenzsprungverfahren
Von den 1940er Jahren an, verwendeten sowohl die Nazis als auch die Alliierten die Single-Frequenz- Funktechnologie. Der Nachteil dieser Technik war, dass der Feind die entsprechende Frequenz finden und das Signal auffangen und so stören konnte, so daß die Rakete von ihrem Weg abkam. Kiesler’s entscheidende Innovation war es, „den Kanal zu wechseln“. Es war ein Weg der Verschlüsselung einer Nachricht über einen weiten Bereich der Funkbandbreite. Wenn ein Teil des Frequenzbands blockiert war, würde die Nachricht immer noch an einer der anderen Frequenzen durchgehen, die gerade verwendet wird. Das Problem war, daß sie nicht herausfinden konnte, wie man die Frequenzänderungen sowohl beim Sender als auch beim Empfänger gleichschaltet. Um das Problem zu lösen, wandte sie sich an den vielleicht weltweit ersten Techno – Musiker, George Antheil.
Antheil, ein amerikanischer Komponist und Pianist und Bekannter von Hedwig Kiesler, war berüchtigt für die Schöpfung komplizierter Kompositionen. Er synchronisierte seine Melodien über sechzehn mechanische Klaviere und kreierte so einen stereophonen Klang, von dem niemand zuvor etwas gehört hatte. Kiesler bezog Antheil’s Technologie der Synchronisation in ihre mit ein. Somit war sie in der Lage, die Frequenzänderungen zwischen dem Empfänger und dem Sender einer Waffe gleichzuschalten, zu synchronisieren.
Hedwig Kiesler alias Hedy Lamarr
Am 11. August 1942 wurde das US-Patent Nr. 2.292.387 an George Antheil und Hedy Kiesler Markey erteilt, was Kiesler’s damaliger Name war. Den meisten wird der Name Kiesler nichts sagen, und es wird sich auch niemand an den Namen Hedy Markey erinnern. Vielleicht sollt man an dieser Stelle den Namen nennen, mit dem man eine der grössten Hollywood-Schönheiten der Goldenen Jahre verbindet: Hedy Lamarr. Das ist der Name, den Louis B. Mayer seiner Vorzeige-Schauspielerin gab. Das ist der Name, den seine Filmfirma berühmt gemacht hat.
Inzwischen weiß fast niemand mehr, daß Hedwig Kiesler alias Hedy Lamarr einer der großen Pionierinnen der drahtlosen Kommunikation war und ist. Ihre Technologie wurde von der US Navy entwickelt, die sie seither verwendet; die Lamarr-Technologie, die du und ich vermutlich jeden Tag in einer Art und Weise verwenden, wenn wir über ein WiFi-Netzwerk oder mit einem Bluetoothfähigen Handy kommunizieren. Es liegt im Herzen der massiven Investitionen , die gerade jetzt in sogenannten Vierter-Generation-LTE -Wireless-Technologie gemacht werden. Diese nächste Generation von Handys und Mobilfunkmasten wird Funknetzwerk-Geschwindigkeit und -Qualität enorme Steigerungen bringen, und zwar durch die Verbreitung des Funksignals über die gesamte zur Verfügung stehende Bandbreite. Diese Art der Verschlüsselung ist nur möglich, weil man das Prinzip des gleichzeitigen Frequenzwechsels, das sogenannte Frequenzsprungverfahren, nutzen kann, das Hedwig Kiesler erfunden hat. Ihr zu Ehren gilt der 9. November – das ist ihr Geburtstag – als Tag der Erfinder.