Der Schilfgürtel-Gully am Neusiedlersee ist eine tickende Zeitbombe. Er bedeckt eine Fläche von fast Hundert Quadratkilometern. Weil im Winter vom Neuschilf nur 10 bis 15 Prozent regelmäßig geschnitten wird, gewinnt der Schilfgürtel zunehmend Land. Deshalb fordert nun der letzte burgenländische Schilfdachdecker „Martin Sandhofer“ die Behörden auf, endlich einzugreifen.
Ein Gänsepaar kreist über der Romantiksiedlung der Ruster Bucht, als uns „Martin Sandhofer“ über Stege in das Dickicht des Schilfgürtels führt. Was wir sehen hat allerdings wenig mit Romantik zu tun. Sturmböen knickten die filigranen Rohre, die nun kreuz und quer im Wasser dahinsiechen. In diesem Zustand kann nicht mehr gemäht werden. Die Verlandung beginnt. Schlangen und Ratten gelangen mühelos an die Vogelnester und fressen Eier und den Nachwuchs. Den Mücken gefällts ebenso – sie vermehren sich prima im Sumpf. Im Sommer stinkt das vor sich hinmodernde Schilf 20 Kilometer weit ins Hinterland.
„Ein Zustand der sich um den ganzen See erstreckt. Früher wurde das ganze Schilf abgemäht, der Rest, das 3- 5 jährige Schilf, wurde abgebrannt. Das was jetzt passiert, hat mit Naturschutz überhaupt nichts mehr zu tun, sondern arbeitet eher dagegen“ ärgert sich Sandhofer.
Das Schilf filtert und reinigt das Gewässer, ersetzt quasi eine Kläranlage. Das funktioniert lediglich, wenn das Wasser zirkulieren kann. So wie sich die Situation momentan darstellt, gibt es keine Zirkulation mehr.
„Jetzt müssen die Behörden handeln“, sagt Martin Sandhofer. Eine Lösung sieht er im kontrollierten Abbrennen des Altbestandes mit Hilfe der Feuerwehr. „Dazu müssten erstmal die notwendigen Wasserwege freigelegt werden.“
Um das alte Schilf zu verwerten, wurde indessen im Dezember 2006 das Biomassekraftwerk in Neusiedl in Betrieb genommen. Der drohenden Verschilfung des Sees konnte man jedoch bisher nicht effizient genug entgegenwirken.
Nicht nur der Schilfgürtel, sondern auch regenfreie Sommermonate setzen dem Neusiedlersee zu. Wegen der vorherrschenden Trockenheit im Jahre 2003, gab die burgenländische Landesregierung eine Studie über die Zukunft des Steppensees in Auftrag. Die Experten der Universität für Bodenkultur in Wien prognostizieren eine weitestgehende Austrocknung des Neusiedlersees ab 2010. Dabei ist man von einer globalen Temperaturerhöhung von 2,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2050 ausgegangen. Momentan sinkt der Wasserspiegel im Sommer um 60 bis 80 Zentimeter. Damit kämen Tourismus und Landwirtschaft der Region wohl zum Erliegen.
Während wir den Steg verlassen, entschwindet die Sonne langsam hinter der Schilfwand! Die Graugänse sind mittlerweile Richtung Osten weitergezogen.