In den Strassen von Marrakesch

Was ist es für ein Gefühl in ein fremdes Land zu kommen, eine fremde Kultur kennen zu lernen? Jeder erlebt diese Erfahrung ein wenig anders. Manch‘ ein Reisender schreibt seine Erlebnisse einfach auf und wenn man Glück hat, dann darf man die Aufzeichnungen im Reisetagebuch nicht nur lesen, sondern kann sich die Menschen, Bilder und Farben, die Gerüche und die Musik ganz genau vorstellen. So wie bei Viktoria Zachs aus dem Burgenland in ihrem Marokko:

„Wohin mich mein Weg führt, weiß ich nie so genau. Ich bin eben eine Reisende, die auf der Suche nach dem Wundervollen, dem Exotischen und dem Abenteuer ist und willig Risiken einzugehen.

Auch dieses Mal ging ich ein Risiko ein, das war mir schon bewusst. Ich beherrschte die Sprache nicht, war weder mit der Kultur noch der Religion vertraut. Doch so bin ich eben, mich schreckt nichts so leicht ab. Das Adrenalin schoss mir durch den Körper, als das Flugzeug vom österreichischen Boden abhob. Mit jeder Minute mehr in den Lüften Richtung Marrakesch, der sonnigen Stadt, verflog die Anspannung und ich ließ mein österreichisches Leben und all‘ die Sorgen hinter mir.

Während meines ersten Spazierganges durch die Altstadt, der Medina, dachte ich an das Projekt in das ich die folgenden drei Monate involviert war. Das Hauptaugenmerk war auf die spielerische Vorbereitung auf die Volksschule von Kindern im Alter von vier bis fünf Jahren gerichtet. Jedoch nicht nur das Unterrichten war Teil meiner Arbeit, ich sollte den Kindern eine Auszeit von den familiär-schwierigen Situationen gewähren und sie für eine Zeit lang bloß Kind sein lassen.

Lautes Hupen und Geschrei riss mich wieder aus meinen Gedanken und holten mich wieder in das Geschehen zurück. Eselkarren, Mopeds, Autos, Schlangenbeschwörer und Frauen, die im Pyjama einkaufen gingen – dies war das aufregende individuelle Leben nach dem ich mich so sehr sehnte. Mein erster Heiratsantrag, der mir im Vorbeigehen zugerufen wurde und noch weitere schmeichelhafte Komplimente zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht. Jedoch veranlassten sie mich auch dazu, so schnell wie möglich in die nächste Gasse einzubiegen – nicht daß er auf den Gedanken kommt ein Lächeln mit einem „Ja, ich will“ gleichzusetzen.

Zweimal ging ich im Kreis, die engen Gassen sahen sich einfach zum Verwechseln ähnlich, dann diese neugierigen Blicke. Doch da sah ich sie schon, die eiserne Tür und das bemalte Haus. Ein Klopfen. Die Tür öffnete sich und Siham war sichtlich erleichtert mich zu sehen. Ob ich den Spaziergang genossen hätte. „Nicht zu vergleichen mit einem Spaziergang im Burgenland“, antwortete ich und musst dabei herzhaft lachen.

Siham war der Name der Frau, die mich in ihrer kleinen Familie aufnahm. Sie war eine 24-jährige Kindergärtnerin und lebte mit ihrem Ehemann und ihrer 4-jährigen Tochter Malak in der Altstadt. Sie ließ mich an ihrem Alltag teilhaben und zeigte mir das traditionelle marokkanische Leben. Es war eine durchaus prägende Erfahrung für mich. Die Wohnsituation war nicht mit der in Österreich vergleichbar. Wir hatten keine Dusche (wir gingen daher ins Hammam, einer örtlichen Waschstädte), ich schlief im Wohnzimmer und musste mich auf den Verzehr von wenig Fleisch und Süßigkeiten einstellen.

Die Rolle der Frau in Marokko überraschte mich am meisten. Streift man durch die Altstadt, würde man von gewissenhaften Frauen berichten, die sich streng an die religiösen Vorschriften halten. Doch hat man das Privileg eben diese Frauen kennen zu lernen und mit ihnen ein Heim zu teilen, so ändert diese Erfahrung alles. Das Leben, das eine Frau in der Öffentlichkeit führt, ist bloß eine ihrer Seiten. Ist der Ehemann mal außer Haus und die Schwestern zu Besuch, dröhnt arabische Musik aus dem Radio, so wird das Kopftuch salopp um die Hüften gebunden. Ich konnte kaum begreifen, was sich vor mir abspielte. Auf einigen Quadratmetern schwangen fünf lebensfrohe Marokkanerinnen ihre Hüften und versuchten Shakira nachzuahmen. Nicht im Traum hätte ich gedacht, dass mir diese Frauen lehren würden, wie ich meine Hüften zu schwingen hätte. Eines kann ich mit Gewissheit sagen – diese war die beste Tanznacht meines bisherigen Lebens.

Marrakesch ist die bunte Stadt der Gegensätze, die mich ständig aufs Neue in ihren Bann zog. Ich begegnete Menschen, die mein Leben veränderten. Mich überraschte die Offenheit und Toleranz der Marokkaner, die ihre Herzlichkeit und Gastfreundschaft auszeichneten. Die Kinder ließen mich wahres Glück erfahren, das in mir aufstieg sobald sie mich umarmten.

Auf jeder meiner Reisen lasse ich immer einen Teil von mir zurück und ich nehme einen neuentdeckten Teil mit – dieses Mal war es wohl die lebensfrohe Einstellung der Marokkanerinnen. Ich lernte auch den Mut aufzubringen, diesen Wandel in meinem Aussehen wiederspiegeln zu lassen. Die schiefen Blicke der Passanten am kühlen Wiener Flughafen störten mich daher keineswegs. Sie erheiterten mich sogar etwas – schließlich muss es durchaus ein eigenartiger Anblick gewesen sein: In Mitten dem sterilen Schwarz und Grau diese junge Frau mit breiten Grinsen in bunter fremdartiger Kleidung mit Hut zu sehn. Jedoch zu Begrüßung wäre mir ein herzliches Lachen lieber gewesen als hochgezogene Augenbrauen.

Wohin mich mein Weg führt, weiß ich nie so genau. Doch das nächste exotische Land wartet bestimmt schon darauf, von mir entdeckt zu werden.“

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