Mit dem Rad nach Bibersburg (Slowakei)

Mit dem Rad nach Cerveny Karmen (Bibersburg) – ein Ausflug in die Vergangenheit.


Das Abenteuer beginnt eigentlich schon in der Wiener S-Bahn. Ab 9 Uhr ist das Mitnehmen von Fahrrädern wochentags gestattet, das heißt, wo eben Platz ist, zwängt man sich mit seinem Drahtesel zwischen die übrigen Fahrgäste. Und wird von manchem bestaunt als käme man von einem anderen Stern. Wir haben auch keine typische Radlerkleidung an, sondern sehen mit unseren Jeans und Polohemden aus wie alle anderen auch. Steigt man dann in die S-7 Richtung Wolfsthal um, ist die Situation ein bisschen anders. Ein Schaffner hilft sogar die Räder auf einer eigenen Aufhängevorrichtung zu verstauen.

Von der Endstation Wolfsthal ist es nicht weit bis zu dem als Radweg ausgebauten Treppelweg am Hochwasser-Schutzdamm. Neben uns fahren die Autos Richtung Grenze, früher gab es hier immer einen Stau, jetzt geht es auch für die Autos flott Richtung Slowakei. Bis zur großen Donaubrücke, die von Petrzalka ( Engerau) bis fast ins Zentrum von Preßburg führt, haben wir insgesamt 12 km zurückgelegt. Wir durchqueren die Stadt, leider fast ohne Radwege. Als wir Preßburg verlassen, haben wir ungefähr vierzig Kilometer bis Cerveny Kamen vor uns.

Der Weg führt über Pezinok (früher Bösing) und Modra (Modern), vorbei an Weingärten bis in die kleinen Karpaten nach Cerveny Kamen, auf deutsch „Bibersburg“ (früher auch Rotenstein)“, was auch die wörtliche Übersetzung des heutigen slowakischen Namens bedeutet). Die Burg ist tatsächlich auf rötlichem Sandstein errichtet, eine Farbe, die sich besonders in der Abenddämmerung bemerkbar macht. Die kurvenreiche Straße nach oben wartet mit einem urigen Lokal mit sinnigem, internationalen Namen auf: „Red Rock Cafe“. Wir sehen Hinweise auf die Weinstraße, die von hier nach dem Weinort Casta im Norden führt. Auf der Anhöhe vor der Burg ist sehr reges Touristenaufkommen, etliche Busse stehen auf dem weitläufigen Parkplatz, eine Greifvogelschau lockt die Gäste, die auf ihre Führung in der Burg warten.

Vor der heutigen Burg stand hier ein Festungsbau, den der ungarische König Bela III. für seine Tochter erbauen ließ. Es wird auch die Meinung vertreten, dass die Tochter selbst den Bau errichten hat lassen, als Teil einer Festungskette zwischen Theben (heute Devin) und Trencin (Trentschin). Im Jahre 1527 ging die Burg in den Besitz der Augsburger Bankiers- und Unternehmerfamilie Fugger über, die rund zehn Jahre später die Burg in eine Renaissance-Festung umbauen ließ. Die Burganlage wie sie sich heute noch weitgehend dem Besucher darbietet mit ihrem bemerkenswerten Verteidigungssystem auf vier Kanonenbasteien. Unter den Fuggern war die Bibersburg, so der damalige Name, ein wichtiger Handelsplatz mit riesigen Lagerräumen in drei Kellergeschoßen, die man anlässlich der Burgführung besichtigen kann.

Durch die Türkenkriege bedingt, zogen sich die Fugger aus der Slowakei (damals Ober-Ungarn) zurück und verkauften dem Schwiegersohn der Familie Nikolaus Palffy im Jahre 1583 die Burganlage. Die Palffys machten aus der Festung ein Renaissance-Wohnschloss mit einer steinernen Brücke über den mächtigen Burgraben, ließen aber die Gesamtanlage mit ihren Bastionen und mächtigen Türmen im Großen und Ganzen unangetastet.

Im Laufe der Jahre brannte die Burg zweimal ab, einmal im 17. und einmal im 18. Jahrhundert. Jedes Mal wurde sie wieder original renoviert. Die letzte Renovierung erfolgte 1992, nachdem die Palffys 1945 von den Kommunisten enteignet worden waren und die Burganlage in den folgenden Jahrzehnten mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben wurde. Heute ist sie ein nationales Kulturdenkmal und gehört der slowakischen Republik. Die Burg kann besichtigt werden, gezeigt wird in den Privaträumen der Familie Palffy die Wohnkultur der Adligen zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert. Im ehemaligen Rittersaal ist eine Sammlung von historischen Waffen inklusive solcher für das Waidwerk auf Nieder- und Hochwild und die Balzjagd zu sehen.

Zur Rückfahrt von Cerveny Kamen nach Österreich gibt es mehrere Möglichkeiten, entweder den gleichen Weg wählen wie bei der Hinreise oder über die kleinen Karpaten an Pernek und Malacky (früher: Malaczka) vorbei und über Zahorska Ves an die March fahren, wo man mittels einer Fähre nach Angern übersetzen kann. Wir hatten uns für die zweite Möglichkeit entschieden. Dazu brauchte man eine Übernachtung, aber das war in der Nähe von Modra kein Problem, da viele Individualtouristen in diese Gegend kommen und daher auch Privatzimmer angeboten werden. Die Reise über die wundervolle Panoramastraße der Kleinen Karpaten mit dem Fahrrad nach der Devise „wer sein Rad liebt, der schiebt!“ ist übrigens schon wieder eine andere Geschichte.

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