Leben nach der Sonnenuhr

„Wenn das so weitergeht, dann werde ich noch zum Kamaldulenser!“ Folgende Situation kennt man doch nur zu gut aus allen erdenklichen Lebenslagen: sich irgendwo anstellen müssen, bei der Post, der Bank, beim Arzt,  Mittags beim Asia-Noodles holen, nach Feierabend noch schnell Konzerttickets kaufen  – überall die Warterei, und wenn es nur 2 Minuten sind, keine Zeit, keine Zeit. Die Leute sind genervt bis zum geht nicht mehr, der eine steckt den anderen mit seiner Hektik an, man macht sich gegenseitig ungehalten und nervös – ein Teufelskreis. Durch das ständige Gerenne und Zeit schinden wollen, fühlt man sich nicht mehr wie ein Mensch, eher wie ein Automat der funktionieren muss, oder wie ein Hamster im Rad. Da hatten es die Kamaldulenser noch einfacher…

Kamaldulenser passen ihren Tag dem Gang der Sonne an

Die Anhänger diesen katholischen Ordens leb(t)en ihr Leben als Eremiten innerhalb einer Klostermauer und dort dann jeweils in eigenen Häuschen mit Garten. Sie tragen ein weißes Ordensgewand, einen langen Rock mit Kapuze und leben nach der Regel des heiligen Benedikt. Ihr Tag wird erfüllt vom Gebet, d.h. von gemeinsamer Liturgie in der Kirche und dem einsamen Stundengebet in der Zelle, der Arbeit und der geistlichen Lesung und sie sind dem Schweigegelübde verpflichtet. Ihren Ursprung haben die Kamaldulenser in Camaldoli in der italienischen Provinz Arezzo in der Toskana – daher auch der Name des Ordens. Es war der heilige Romuald von Camaldoli, der diese Kongregation im 11. Jahrhundert ins Leben rief. Er formte ein neues Konzept des Eremitentums und zwar das zusammengeschlossenen Einsiedlerlebens.

Tagesablauf der Kamaldulenser:

3:30 Uhr – der Tag beginnt mit der Matutin (Gebet zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen)

6:00 Uhr – vor der Hl. Messe um 6:00 Uhr werden der „Engel des Herrn“ und die Laudes (Morgengebet der katholischen Kirche) gebetet. Anschließend wird die Heilige Messe ohne Gesang und ohne Musikinstrumente gefeiert.

7:30 Uhr – nach der Messe beten die Mönche bis zum Frühstück gegen 7:30 Uhr in der Zelle die Terz (Teil des Stundengebets der katholischen Kirche, gebetet wird um 9 Uhr) und den Rosenkranz.

Dann beginnt die Arbeit…

11:45 Uhr –  die Sext wird gebetet ( Teil des Stundengebets der katholischen Kirche, gebetet wird um 12 Uhr), dieser folgt der Angelus („Engel des Herrn“).

12:00 Uhr – das Mittagessen wird eingenommen.

bis 14:00 Uhr haben die Mönche freie Zeit. Dann beginnt der Nachmittag mit der Non ( Teil des Stundengebets der katholischen Kirche, gebetet wird um 15 Uhr).

Bis 17:00 Uhr wird gearbeitet, anschließend gibt es das Abendessen.

Um 17:30 Uhr ist Zeit für die geistliche Lesung,

um 18:30 Uhr schließen sich die Vesper (Abendgebet) und eine Litanei (gemeinschaftliches Gebet mit Fürbitten) an.

Der Tag endet mit der Komplet (Nachtgebet) um 19:15 Uhr.

Um 21:00 Uhr beginnt die Nachtruhe.

Gibt es die Kamaldulenser heute noch?

Im ungarischen Majk-Puszta im Nordwesten des Landes und im üppig bewaldeten nördlichen Vértes-Gebirge, zwischen Györ und Budapest gelegen, dort gibt es noch eine verlassene Kamaldulenser-Einsiedelei. An der Stelle einer mittelalterlichen Prämonstrantenserpobstei (Orden bestehend aus Kanonikern und Laienbrüdern), wurde das klösterliche Anwesen 1733 gegründet. Die Eremitage besteht aus Mönchszellen in Form von kleinen Häusern, Kirche und Stiftsgebäude. Heutzutage befindet sich in einer der Mönchszellen ein Museum mit Dokumenten aus dem Leben der Glaubensbrüder. Kamaldulenser-Einsiedeleien wie die in Majk sind europaweit nur in drei Ländern erhalten geblieben, etwa im Ursprungsland Italien oder auch in Polen. Weltweit zählen die insgesamt 10 Klöster in Italien, Indien, Brasilien und den USA noch etwa 107 Mitglieder diesen Ordens.

Gerade in Ungarn gibt es noch viele Klöster der verschiedensten Orden, Benediktinerkloster in Pannonhalma oder Tihany, Pauliner-Karmelitenkloster in Wandorf (bei Sopron), Zisterzienserkloster in Zirc um nur ein paar wenige zu nennen.

Einsiedelei ist gleich Entschleunigung

Allein das Wort Einsiedelei klingt schon nach Ent-spannung, so als würde alles von einem abfallen – durchatmen, einfach alles stehen und liegen lassen, abhauen sozusagen und sich zur Abwechslung mal auf das wesentliche konzentrieren und zwar auf die eigenen Bedürfnisse. Bei der stetig wachsenden Hektik des Alltags eine mehr als reizvolle Vorstellung.
Das wäre doch mal eine Alternative zum normalen Urlaub, mit der Aussicht auf Erfolg.

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