Verschwindet der Neusiedler See?

Keine Segler in Sicht, Fische sterben, Badegäste bleiben aus. Der Neusiedler See versinkt im Schlamm. Er macht derzeit sogar im Ausland Schlagzeilen. So berichtete etwa die deutsche „FAZ“ von einer möglichen Austrocknung des Sees. Die „Heute“, die „Krone“ und viele nationale Medien schreiben seit Wochen über die Situation am sogenannten „Meer der Wiener“.

Erst vorige Woche unterzeichneten Burgenlands LH Hans Peter Doskozil und der Außenminister von Ungarn Péter Szijjártó eine Absichtserklärung Wasser aus der Moson/Donau zum Neusiedler See zu leiten. So soll der Wasserstand nachhaltig stabilisiert werden.

Der Neusiedler See ist einzigartig in Europa. Nicht nur, dass er der größte abflusslose Steppensee auf dem Kontinent ist, sondern er gilt auch als Salzsee. Allerdings wird das Salz nicht aus Natriumchlorid gebildet, sondern es besteht aus Soda (Natriumcarbonat). Mit dem Schilfgürtel breitet er sich auf 320 Quadratkilometer aus. Davon sind 180 Quadratkilometer Schilf. Die mittlere Tiefe beträgt momentan etwa 1,15 Meter. Das sind heuer fast 30 Zentimeter weniger als der Wasserstand der vergangenen Jahre.

Die Unruhe des Sees

Sollte der See tatsächlich in den nächsten Jahren austrocknen, so ist das nicht das erste Mal. 1867 meldete die Wiener Zeitung: „Das Meer der Wiener ist verschwunden!“ Schon damals war der Neusiedler See ein beliebtes Ausflugsziel für die Großstädter. Auch als Fischlieferant schätzten die Wiener den See. Doch wo sonst das Wasser zum Baden lockte, erstreckte sich 1867 nur eine Schlammwüste.

Einige Jahre blieb der See verschwunden. Die Bauern am Seeufer begannen den Boden zu nutzen. Getreide wurde angebaut. Ja selbst Hütten und sogar eine Kapelle wurden errichtet. Der Streit um neue Grundstücke begann. Doch 3 Jahre später (1870) sprudelte das Wasser langsam wieder aus dem Boden. 1879 verschwanden Kapelle und Hütten endgültig in den Fluten. Der Neusiedler See war zurück.

In seiner Geschichte hat sich der Steppensee ständig bewegt. Aus den Aufzeichnungen in „Hübners Conversationslexikon“ aus dem Jahre 1780 wissen wir, dass sich ein See von 515 Quadratkilometern in Oberungarn unter Ödenburg befindet – also doch bedeutend größer als heutzutage.

Auch von 1811 bis 1813 war der See fast ausgetrocknet. Um 1850 wuchs er wieder an. Bis zu 354 Quadratkilometer breitete er sich aus. Das war die größte Ausdehnung im 19. Jahrhundert, bis er dann 1867 wieder zu schrumpfen begann.

Die Unruhe des Sees war neben der Landgewinnung ein Grund dafür, dass man ihn noch vor dem „Ersten Weltkrieg“ trocken legen wollte. Jedoch wurde der Plan verworfen und das Projekt „Einser Kanal“ realisiert (1909). Streckenweise bildet der Einserkanal die Grenze zwischen Ungarn und Österreich, der Wasser vom See ableitet, um so Hochwasser zu verhindern.

Dem Neusiedlersee droht der Kollaps – Martin Sandhofer im Interview im Jahre 2012

Jetzt stehen wir wieder vor einem dramatischen Ereignis rund um den Neusiedler See. Schon vor 10 Jahren durften wir Martin Sandhofer, einen der letzten Schilfschneider, interviewen. Er warnte vor einem Kollaps des Sees: „Wir haben gewartet und zugewartet. Und nun suchen wird 5 Minuten nach Zwölf nach Möglichkeiten den See vor dem Kollpas zu bewahren – verzweifelt und zweifelhaft.“ Ist das Wasser von Moson und Donau die Lösung?

Das Mädchenthal

Auf die Unruhe des Sees verweist eine uralte Sage. Wo sich heute der See ausbreitet, lag einst das schöne „Mädchenthal“ zu dem auch ein Dorfteich gehörte. Eines Tages kam der Burgherr zu Forchtenstein in das Mädchenthal. Er verliebte sich in „Maria“, einem Mädchen aus dem Dorfe. Er besuchte sie immer wieder. Als seine Frau davon erfuhr, ließen die Forchtensteiner Maria im Dorfteich ertränken. Doch in der Folge wurde der Dorfteich immer größer. Das Mädchenthal versank. Wo einst Blumen blühten, war nur Wasser, Wasser, Wasser. Aber das ist nur eine Legende…!

Warum der See nun wieder vor dem Austrocknen steht, darüber kann man nur rätseln. Ist es dem Klimawechsel geschuldet? Sprudeln die unterirdischen Quellen nicht mehr? Oder… taucht das Mädchenthal pötzlich wieder auf?

Quellenangabe: Christine Klusacek (*24.05.1925, †26.05.2012), Rendezvous im alten Wien, Compress Verlag 1996; https://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/burgenland/neusiedlersee.html

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